• Netto-Null-Flächenverbrauch: Frankreich und Deutschland im Spiegel der urbanen Transformation

    Angesichts des Klimawandels und schwindender natürlicher Ressourcen wird die Bodenpolitik zu einem zentralen Hebel für die nachhaltige Entwicklung unserer Städte. Sowohl Frankreich als auch Deutschland bemühen sich, den Flächenverbrauch zu begrenzen – allerdings mit unterschiedlichen Ansätzen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Diese Unterschiede – und auch Gemeinsamkeiten – standen im Mittelpunkt der Diskussionen während der Assises Européennes de la Transition Énergétique am 25. Juni 2025 in Straßburg, im Rahmen des deutsch-französischen Projekts TANDEM.

    In Frankreich ist das Ziel der Netto-Null-Überbauung (Zéro Artificialisation Nette, ZAN) bis 2050 gesetzlich verankert. Bereits bis 2031 muss der Verbrauch von landwirtschaftlichen, natürlichen und bewaldeten Flächen halbiert werden. In Deutschland ist das Ziel weniger streng: Der Netto-Flächenverbrauch soll bis 2030 auf 30 Hektar pro Tag sinken – ein rein indikatives Ziel ohne verbindliche Rechtskraft. Doch beide Länder sehen sich ähnlichen Herausforderungen gegenüber: sektorales Denken, mangelnde Koordination und die Vorstellung, dass Flächensparen wirtschaftliches Wachstum behindere.

    In der deutsch-französischen Gesprächsrunde stellte Ingo Schwerdorf (Stadtentwässerungsbetriebe Köln) das Konzept der „Schwammstadt“ vor. Dabei handelt es sich um ein städtebauliches Modell, das natürliche Wasserkreisläufe wiederherstellt, indem Böden entsiegelt und grüne Retentionsflächen geschaffen werden. Die Städte werden so in die Lage versetzt, Regenwasser aufzunehmen und zu speichern – eine Strategie, die sowohl dem Klimaschutz als auch den Zielen der Bodenentsiegelung dient.

    Philippe Guelpa-Bonaro, Vizepräsident der Metropolregion Lyon, stellte eine andere Perspektive vor – die einer Stadt, die ihre Attraktivität nicht als Ziel, sondern als Folge guter Lebensbedingungen begreift:

    „Die Attraktivität der Metropole Lyon muss eine Konsequenz und kein Ziel sein. Das Ziel ist es, gut zu leben. Jetzt und in Zukunft. Unsere öffentliche Politik zielt darauf ab, die Lebensqualität zu verbessern, indem wir eine nüchterne, funktionale und widerstandsfähige Stadt entwickeln, die den Bedürfnissen der heutigen EinwohnerInnen und ihrer Kinder gerecht wird und gleichzeitig den Herausforderungen des Klimawandels begegnet.“
    Diese Vision steht im Einklang mit den ZAN-Zielen: Statt auf Expansion setzt Lyon auf Qualität des Bestands, Nachverdichtung, Umnutzung von Brachflächen und urbane Resilienz – ein Paradigmenwechsel hin zu einem sparsamen, zukunftsorientierten Stadtmodell.

    Die zweite TANDEM-Sitzung nahm sich dem Thema spielerisch an: Mit dem von der AUDAB entwickelten Planspiel „Modèle Notre Territoire“ übernahmen die Teilnehmenden die Rolle eines fiktiven interkommunalen Rats. In diesem Szenario galt es, individuelle Entwicklungsziele der beteiligten Gemeinden mit den Vorgaben des ZAN in Einklang zu bringen. Moderiert von Ophélie Bornand, offenbarte das Spiel die reale Komplexität kommunaler Bodenpolitik – aber auch das Potenzial kollektiver Intelligenz und grenzüberschreitender Kooperation für eine nachhaltige Stadtentwicklung.

    Eine Allianz für den Boden – für die Zukunft der Städte

    Der Schutz des Bodens ist seit langem ein Anliegen vieler Umweltakteure, doch erst durch die Zunahme extremer Wetterereignisse rückte das Thema stärker in das öffentliche Bewusstsein. In diesem Kontext wurde 2001 die Europäische Land- und Bodenallianz (ELSA) gegründet – eine Initiative, die aus den Reihen des Klima-Bündnis entstanden ist und bis heute eng mit ihm kooperiert.

    ELSA setzt sich für eine verantwortungsvolle kommunale und regionale Bodenpolitik ein. Ziel ist unter anderem die Einführung eines europaweiten Bodenmonitorings, die Verankerung der Klimafunktion des Bodens im deutschen Bodenschutzrecht sowie die Förderung eines sparsamen Umgangs mit Flächen durch innovative Ansätze wie Flächenzertifikate – ein System ähnlich dem Emissionshandel, das auch auf kommunaler Ebene Anwendung finden könnte.

    Vertreten durch Reinhard Gierse, aktives Mitglied der Allianz, erklärte er in Straßburg, dass die Allianz nicht darauf abzielt, jegliche Versiegelung zu verbieten, sondern die Effizienz der Landnutzung zu maximieren. Es geht um eine sparsame, soziale und ökologische Bewirtschaftung des Bodens mit für jedes Gebiet geeigneten Instrumenten.

    Foto von Valentina Paurevic auf Unsplash